Bürgermeister Hubert Wegener hat Sorge, dass durch die Einfühung des Betreuungsgeldes die Auslastung der heimischen Kindertageseinrichtungen mittel- bis langfristig zurückgehen könnte, so dass am Ende ein Abbau von Betreuungsplätzen nicht auszuschließen.
Diese Einschätzung jedenfalls hat der Verwaltungschef auf dem CDU-Forum „Moderne Familienpolitik“ am Mittwochabend in der Conrad-von-Ense-Schule vertreten, die im Spannungsfeld stand von Erziehungs als „reiner Privatsache“ und „Krippenoffensive“.
Dabei drehte sich die Podiumsdiskussion vor knapp 40 Zuhörern – unter ihnen nicht zuletzt Mitarbeiterinnen verschiedener Kindergärten – um die Frage, welcher Weg zukünfig beschritten werden solle, um sich „bedarfsgerecht weiter zu entwickeln auf dem Weg in eine moderne Familienpolitik“, wie CDU-Chefin Silvia Klein es in ihrer Begrüßung formulierte. Und am Ende einer durchaus lebhaften Diskussion konnte sie nach zwei Stunden folgendes Fazit ziehen: Aufgabe von Politik und Verwaltung müsse es demnächst sein, einen Kompromiss zwischen Eltern-Wünschen und Kinder-Bedürfnissen zu finden, die Wichtigkeit der Bindung zwischen Kind und Mutter herauszustellen, den Eltern Zeit zu lassen, um Eltern werden zu können, und ihnen eine immer häufiger zu spürende Verunsicherung bezüglich ihrer Erziehungsfähigkeit zu nehmen.
Wobei vor allem die beiden Mediziner auf dem Podium, der Kinderarzt Dr. Norbert Stockmann aus Lippstadt und vor allem der Kinderpsychiater Dr. Rolf Katterfeld ihre Skepsis gegenüber einer allzu frühen Betreuung von Kleinstkindern in Tageseinrichtungen geltend machten. So wusste etwa Dr. Norbert Stockmann aus seiner Praxis zu berichten, dass immer mehr Kinder mit seelischen Problemen zu kämpfen hätten. Dies reiche von Schlafströrungen mit Panikträumen bis zu Konzentrations- und Sprachstörungen. Kindern gehe immer häufiger die Kreativität verloren, seien schlichtweg überfordert, was zu Identitätsstörungen oder gar einer „Schulphobie“ führen könne. Für ihn mithin wichtig: Politik müsse den Rahmen bieten, um eine optimale und familienähnliche Betreuung in den Einrichtungen sicherzustellen. Jedes Kind müsse als Individuum betrachtet und den Eltern die Möglichkeit eingeräumt werden, Eltern zu werden.
Für den Kinderpsychiater Dr. Rolf Katterfeld ist für die emotionale Entwicklung des Kindes vor allem die Bindung zur Mutter in den ersten drei Jahren entscheidend. Erst dann sei die „psychische Geburt“ abgeschlossen. Von daher sollte man jenen „Müttern die Würde zurückgeben, die sich entschieden haben, in den ersten drei Jahren Mütter zu sein.“ Für ihn nämlich gelte das Prinzip „Bindung vor Bildung“. Denn während eine möglicherweise verpasste frühkindliche Bildung in den Tageseinrichtungen nachgeholt werden könne, führe eine „unsichere Binding“ durch die zu früh erfolgte Trennung von Mutter und Kind möglicherweise zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen des Nachwuchses. Mithin sei es Aufgabe der Gesellschaft, den Frauen zu helfen, wieder „Mutter sein zu wollen“. Hier bedürfe es eines Umdenkens in der Gesellschaft. „Wie wichtig Mütter sind, ist nicht allen klar“, so der Kinderpsychiater.
Dass eine „außerhäusige Betreuung“ allerdings kein Merkmal schlechter Eltern sei, es zudem auch keinen Kindergarten-Zwang gebe und eine „ergänzende Betreuungsunterstützung“ von zahlreichen Eltern aus unterschiedlichen Gründen benötigt werde, das betonte die Kreis-Jugendamtsleiterin Gudrun Hengst. Sie unterstrich, dass bei allen bestehenden Angeboten der Kinderbetreuung die Familie als „besonderes Gut“ im Vordergrund stehe. Eltern und Kinder müssten Familie, Ur-Instinkte erhalten bleiben. Und: Jeder Fall, jedes Kind müsse individuell betrachtet werden, warnte sie vor pauschalen Urteilen zur Kinderbetreuung. Ihr Wunsch sei, die Individualität der Kinder zu schützen. Forderungen von anwesenden Erziehern, zur optimaleren frühkindlichen Erziehung die Personalsituation in den Einrichtungen zu verbessern, begegnete sie mit dem Hinweis auf eine dann durch die Kommunen zu leistende Finanzierung, für die wiederum Bürgermeister Hubert Wegener zum gegenwärtigen Zeitraum allerdings keinen Spielraum sieht.
Kirsten Tischer, bei der Wirtschaftsförderingsgesellschaft des Kreises Soest zuständig für die Zertifizierung von „famlienfreundlichen Unternehmen“, machte deutlich, dass es den Betrieben vor allem darum gehe, gute Bedingungen für ihre Mitarbeiter zu schaffen und nicht darum, möglichst rasch Frauen wieder für den Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Die Wirtschaft jedenfalls trage keine Schuld an einer vermeintlichen Vernachlässigung von Kindern oder ihrer mangelnden emotionalen Entwicklung. Vielmhr sei Familienfreundlichkeit als Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach geeignetem Personal zu sehen.
Die am Mittwochabend anwesenden Erzieherinnen berichteten anschließend vor allem über die steigende Tendenz bei Eltern, mit ihren Kinder sehr häufig auch die Verantwortung für deren Erziehung in den Tageseinrichtungen abzugeben. Zu 20 Prozent sei die Arbeit in den Einrichtungen mittlerweile schon „familienersetzend“. Hierin liege eine große Gefahr, gegen die die Politik gegensteuern müsse.